Ortsunabhängiges Arbeiten während unserer grossen Reise // Nachlese zur Digitalen Nomaden Konferenz

Ortsunabhängiges Arbeiten während unserer grossen Reise // Nachlese zur Digitalen Nomaden Konferenz

Wir werden reisen.

Mein Mann und ich haben uns vor knapp 4 Jahren entschieden, eine grössere Reise zu unternehmen. Und schon ist es soweit, in nahezu 9 Monaten wollen wir los. Wir werden die Wohnung aufgeben, unsere paar Sachen einlagern und uns die Welt anschauen.

Und wir werden arbeiten.

Ja, auch das ist klar. So gern wir reisen, so gern arbeiten wir auch. In der letzten Zeit führte ich schon Gespräche mit einigen Kunden über unsere Pläne. In den Gesprächen wurde mir signalisiert, dass die Arbeit derzeit ja auch schon vielfach ortsunabhängig, remote, passiert. Also warum nicht auch später, während wir auf der Reise sind? Auch mein Mann wird mit einem reduzierten Pensum weiterhin für seinen langjährigen Arbeitgeber tätig sein.

Aber weniger. Denn Reisen bedeutet: sich Zeit nehmen.

Unser Wunsch und auch unsere Erfahrung aus den letzten Jahren ist ganz einfach: Slow Travel. Langsam reisen, in die jeweiligen Orte und Gegenden eintauchen, Menschen kennenlernen und immer mal wieder ankommen. Wir denken, dass dann auch das arbeiten genug Platz haben wird.

Was gehört zur Vorbereitung?

  • Zeitplan erstellen, bis wann was erledigt sein muss (Never-ending-Trelloritis)
  • Austausch mit anderen Arbeits-Reisenden
  • Besuch von Konferenzen wie der Digitale Nomaden Konferenz Schweiz
  • Mitglied und Austausch im Verein DNCH (Veranstalter der Konferenz)
  • Themenbezogener Austausch via Forum oder Slack mit anderen Nomaden
  • Gespräche mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, der Krankenkasse, der Unfallversicherung, dem Handelsregisteramt, der Wohngemeinde und und und
  • ein Team respektive ein Netzwerk aufbauen, welches uns unterstützen kann, wenn es für uns allein zu viel wird

Zur Vorbereitung gehören aber auch so Dinge wie Familie und Freunde thematisch “mitnehmen”, Wohnung auflösen, Reiseroute planen etc. Aber das soll hier jetzt nicht thematisiert werden. Wer diesen Weg mitgehen will, kann gern mal auf Leben-pur.ch schauen, da gibt es mehr dazu.

Die Konferenz im zweiten Jahr

Auch im zweiten Jahr bin ich als Vereinsmitglied dabei. Ich freute mich auf den Austausch und war gespannt. In mir schwingt immer noch dieses “Ich bin kein fancy Digital-Nomad”-Gefühl mit. Ich kann es jedoch nicht genau benennen.

Bis dann gleich im ersten Vortrag endlich die Antwort wartet: Digitaler Nomade ist kein Beruf, sondern ein Lebensstil. Yes! In der Aussenwahrnehmung wird das gern verwechselt. Ich bin dann mal digitaler Nomade. Das stimmt eben nicht. Ich bin nach wie vor Template-Profi für Verlage und Agenturen und lebe künftig als digitale Nomadin. So wird ein Schuh draus. Das gefällt mir. Manchmal braucht man einfach mal einen Stubs in die richtige Gedankenrichtung. Danke an dieser Stelle an das Büro Luz für die Erkenntnis!

Der gesamte Spirit der Konferenz erschien mir professioneller, viel durchdachter und auch auf wissenschaftlicher und öffentlicher Seite angekommen. Da wurden Studien vorgestellt, wo es um die Produktivität im Vergleich Stadt-Büro/Berg-Büro geht. Die Erkenntnisse waren für mich zum Teil überraschend: Es wird auf dem Berg mehr “weggeschafft”, das genau wäre für mich super, während ich in meine Templates eintauche und volle Konzentration über Stunden brauche.

Es gibt die Work-Smart-Initiative, die flexible Arbeitsformen fördert. Da geht es nicht nur um Homeoffice. Da geht es um so viel mehr: um Zufriedenheit bei Chefs & Angestellten, da geht es um die Ökologie beim ständigen Pendeln, es geht um neue Arbeitsmodelle und Integration in die neuen Lebensstile. Es geht aber auch um Vertrauen und/oder Kontrolle. Um Produktivitätssteigerung und Biorhythmus. Flexible Arbeitsformen sind eben nicht nur für Reisende interessant. Wenn in den Teppichetagen und beim gemeinen NZZ-Leser endlich angekommen ist, dass Menschen selbstbestimmter leben und arbeiten wollen und können könnte das eine Win-Win-Situtation werden.

Soziale Komponente nicht vergessen!

Da gab es aber auch die Erkenntnis, dass das Käffelen mit Kunden, das Socialising eben doch nicht ganz wegfallen kann. Für uns die Erkenntnis, dass wir ab uns zu heimkommen werden, nicht nur um Familie und Freunde zu treffen, sondern eben auch mit den Kunden (oder im Falle meines Mannes mit seinem Chef) in direktem Kontakt zu bleiben.

Wir hören von anderen Reisenden, dass es wichtig ist, sich zu vernetzten, sich auch mal mit anderen digitalen Nomaden auszutauschen. Denn keiner hat gross Lust, jeden Tag sein Lebensmodell ausführlich zu erklären. Manchmal will man einfach unter Seinesgleichen sein. Das gelingt in sogenannten CoLivingSpaces wie zum Beispiel in SwissEscape ganz gut. Hier arbeitet man nicht nur zusammen, sondern lebt für einen bestimmten Zeitraum WG-mässig zusammen. Und hat eben Verständnis für Abgabetermine und dem Wunsch nach schnellem Internet. Und tauscht sich aus.

Mit dem Laptop auf dem Schoss in der Hängematte?

Dieses Bild wird gern bemüht von der Presse, im Netz. Aber wer schonmal (wie ich vor 3 Jahren) in Thailand am Strand versucht hat zu arbeiten, wird schnell merken, dass die Qualität unfassbar sinkt. Das ist Blödsinn. Vielleicht ist es cool, dieses Bild von der Arbeit zu zeichnen. Aber es ist nicht gut. Und schwächt die Bewegung für flexible Arbeitsmodelle.

Meine Kunden erwarten für ihre Investition hochprofessionelle Arbeit. Dazu muss ich konzentriert sein. Ich kann weder in einem Matcha-Latte-Café auf Bali, in einem Hostel zwischen Nach-Abi-vor-Studium-Travellern noch in der Hängematte arbeiten.

Wir brauchen Platz, Ruhe, gutes Internet und normale Temperaturen. Für uns sind das gute CoWorkingSpaces mit Ruhezonen und Einzel-Tischen oder eben gute Hotelzimmer. Und ich arbeite jetzt schon sehr viel remote und kann sagen: hab ich Ruhe um mich herum, geht die Arbeit gut von der Hand und ich gebe Qualität ab.

Etwas mehr Planung nötig

Wir werden mit unseren Kunden mehr planen müssen. Wir werden nicht zu jeder Zeit ständig online sein können. Und wir werden eher projektbezogen arbeiten. Was in meinem Fall keine Änderung darstellt, für meinen Mann schon eher. Die Reiseroute entscheiden immer noch wir, nicht die Internet-Verfügbarkeit. Und dennoch spielt diese eine grössere Rolle bei der Planung.

Wir werden mit den Kunden Termine im Voraus absprechen, spontane Wünsche könnten die Herausforderung sein. Ich für meinen Teil bin an Flexibilität bis zur Dauer-Elastizität mit meinen Kunden gewöhnt, da fühle ich mich jeweils schon heute wie ein Termin-Jongleuer, also warum sollte ich das nicht auch unterwegs hinbekommen?

Auf der Konferenz sprachen viele von Tagesstruktur, die sich während des Reisens einstellt. Da bin ich mal gespannt, denn wenn ich derzeit unterwegs bin, zwar immer noch mit einer Homebase, aber unterwegs, habe ich auch hier eine simple Routine, die mich gut arbeiten lässt. Viel braucht es dazu nicht, gefüllter Akku, starkes Internet und volle Kaffeetasse und schon geht es los.

Für meinen Mann ist das nun alles neu, ich bin mal gespannt, wie wir uns so finden werden und welche neuen Routinen er benötigt und welche Dinge ich von ihm lernen kann.

Wann geht es denn nun richtig los?

Wir planen, am 1. August 2020 auf die Motorräder zu steigen und in Richtung Norden zu fahren. Erstes und bisher einziges Ziel: Berlin. Zu Mama. Und danach wird sich zeigen, was auf unserem Weg liegt. Europa? Afrika? Die Amerikas? Asien? Oder doch erst einmal eine grössere Runde nach Hannover, zu einem Projekt, welches irgendwie immer noch richtig wunderbar ist und meine Anwesenheit gebrauchen könnte? Wer weiss das schon. Und wie lange wir reisen werden? Gute Frage.

Was wir heute schon wissen

…ist eigentlich nicht viel. Wir wollen reisen, wollen uns und die Welt entdecken. Wollen das, was wir gut können, weiterhin machen. Etwas weniger, das ist klar. Denn das war in den letzten Jahren der Reise-Vorbereitung definitiv zu viel. Wir wissen, dass wir uns gut organisieren können. Wir wissen auch, dass uns Planänderungen nicht umhauen und wir flexibel sind. Wir kennen uns: wir sind Slow-Traveller, schon immer. Und alles andere wissen wir nicht. Darum gehen wir los, um all das Andere kennenzulernen.


Presseshow über die Konferenz

(wir aktualisieren in den nächsten Tagen die Linkliste)


Die Fotos sind von einigen Teilnehmern entstanden, hier eine Auswahl von mir, Lorenz Ramseyer und Elisabeth Staudenmann. Das Titelbild ist von der Keynote von BüroLuz.